Argumente für effizientere Flächennutzung in Ballungsräumen
Nahezu jeder Aspekt des Lebens scheint heute unter dem Gebot der Nachhaltigkeit zu stehen. Dabei handelt es sich zwar um ein ernstes und wichtiges Anliegen, allerdings inzwischen auch um einen Modebegriff, hinter dem oft nichts weiter als eine Marketingstrategie steht. Für den Immobilienbereich geht es beim Thema Nachhaltigkeit allerdings um deutlich mehr als nur ein Trendwort. Immerhin ist der Sektor für fast 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Auch konnte die Immobilienbranche die Klimaziele der Bundesregierung bislang noch nicht erreichen: Die Obergrenze von 118 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente hat die Branche im vergangenen Jahr überschritten. Sollen die ehrgeizigen Nachhaltigkeitsziele erreicht werden, muss die Immobilienbranche also mitziehen. Und das entscheidet sich vor allem in den urbanen Ballungsgebieten.
Veränderte Lebenssituationen…
Insgesamt 70 Prozent der Wohnimmobilien in Deutschland wurden vor 1979 gebaut, in einer Zeit also, als für Gebäude völlig andere Bedingungen galten. Eine Umstrukturierung ist deshalb dringend geboten. Die kann aber nicht darin liegen, alle alten Gebäude durch neue zu ersetzen, sondern auch darin, vorhandene Objekte im Sinne der Nachhaltigkeit aufzuwerten. Nachhaltiges Bauen und Umrüsten von Gebäuden muss allerdings nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische und sozio-kulturelle Faktoren berücksichtigen. Denn Immobilien beeinflussen natürlich das Leben in nahezu allen Aspekten. Dabei nimmt eine weitsichtige Nutzungskonzeption eine Schlüsselrolle ein.
Neben den strukturellen Änderungen hat sich auch die generelle Lebenssituation in den vergangenen Jahren deutlich verändert. So ist eine stark ungleiche Verteilung des Wohnraums kaum noch zu übersehen: Im Schnitt hat ein Bürger in Deutschland 37 m2 Wohnfläche zur Verfügung. Von einer solchen Größenordnung können bestimmte Gesellschaftsschichten bestenfalls träumen. Eine Lösung des Problems könnte darin liegen, den vorhandenen Wohnraum effizienter zu nutzen. Dieser Ansicht ist auch Patrick Herzog. Der Experte für nachhaltiges Bauen sieht für die Zukunft eine Veränderung des Lebens in Ballungsgebieten: „Der Trend zeigt klar in Richtung Mischnutzung: Objekte, in denen gewohnt, aber auch gearbeitet wird.“, sagt Herzog. „Auf diese Weise lässt sich die vorhandene Fläche in Ballungsgebieten viel effizienter nutzen.“
…und deutlich mehr Mischnutzung
In den vergangenen Jahren hat die Corona-Krise hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt: Das Homeoffice wurde stark ausgeweitet, was zu deutlich weniger Berufspendlern geführt hat. Entsprechend sind Gewerbeimmobilien in Deutschland bei weitem nicht mehr so gefragt wie vor der Krise. „In Zukunft werden Unternehmen angehalten sein, ihre Büroflächen viel flexibler zu nutzen“, weiß Patrick Herzog. „Dabei wird die Grenze zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien nicht mehr eindeutig gezogen werden, so dass es eine größere Verzahnung zwischen Leben und Arbeiten geben wird.“
Für diese Mischnutzung gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte. Co-Working-Spaces existieren zwar schon seit einigen Jahren in Deutschland, sie könnten in Zukunft allerdings deutlich gefragter werden. Dabei plädiert Immobilienexperte Herzog für eine offene Debattenkultur, die alle beteiligten Parteien einschließt: „Wohin die Reise auch gehen soll – ein offener Dialog zwischen Immobilienbranche, Behörden und Bürgern ist die wichtigste Voraussetzung auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft.“